Die Sache mit dem Karma
„Sag mal, wo ist eigentlich die Kamera?“, fragt mich Hans nebenbei.
„Hmm, keine Ahnung“, sage ich abwesend, während ich die Häuser am Straßenrand südlich von Ubud aus dem Taxifenster betrachte.
„Hier ist sie nicht…“. Hans kramt in seinem Rucksack.
„Ich habe sie jedenfalls auch nicht“, ich wende meinen Blick irritiert zu ihm.
Hans blickt suchend um sich. „Hast Du die in den Kofferraum gelegt?“, fragt er.
„Nö, ich hatte die gar nicht in der Hand…“, jetzt beginne ich auch zu suchen, doch keine Kamera weit und breit.
„Mist!“, entfährt es Hans plötzlich, „die habe ich liegenlassen!“
„Stop!“, rufen wir wie aus einem Mund, „we have to go back to the shop. We have left our camera behind!“
„Really?“. Der Fahrer lacht und bremst ab.
„Yes! We have to go back!“, wiederholt Hans.
Ich sehe den amüsierten Blick unseres Fahrers im Rückspiegel und kann mir denken, was ihm durch den Kopf geht. So wie wir schon den ganzen Tag wie aufgescheuchte Hühner von einem Shop zum nächsten rennen, von links nach rechts über die Straßen, ins Taxi rein und wieder raus, scheint das nur eine Frage der Zeit gewesen zu sein, bis sowas passiert. Er nimmt’s jedenfalls gelassener als wir.
„Meinst Du, die ist noch da?“, frage ich.
„Ich denke schon…“, Hoffnung schwingt in Hans‘ Stimme mit.
Hej, geht es mir durch den Kopf, wenn die weg ist, dann… dann… ach ich weiß auch nicht! Das würde ja passen, vor wenigen Wochen klauen sie uns die Laptops und jetzt lassen wir die Kamera liegen. Ach Mann, denke ich, die schönen Fotos, die wir gemacht haben.
„Die wird schon noch da sein!“, rede ich uns beiden schließlich Mut zu, „Die wird die schon nicht weggeräumt haben.“ Mit ‚Die‘ meine ich die Verkäuferin des Ladens, in dem wir eben unsere Tempelhäuschen-Kauf-Aktion hatten.
Nachdem wir uns nach einer Window-Shopping-Tour durch Seminyak in Richtung Ubud aufgemacht hatten, hatte Hans die Idee, daß wir uns doch als Andenken so ein Tempelhäuschen mitnehmen könnten. Jeder große oder kleine Tempel auf Bali hatte auf der Spitze so ein Häuschen, das immer schön verziert war. Wir hielten also an so einem Laden direkt an der Straße an, der wirklich schöne goldene Häuschen hatte. Wir fotografierten sie von allen Seiten und suchten uns schließlich eines aus. Nur durfte es nicht zu schwer und auch nicht zu groß sein, wegen dem Versand als Päckchen. Nach ewigem hin und her haben wir es endlich geschafft es zu wiegen. 8 Kilo – das passte! Überglücklich und supervorsichtig – das Teil war aus Ton – packten wir es in den Wagen – und ließen vor lauter Tempelhäuscheneuphorie die Kamera irgendwo auf einem Tischchen liegen!
Als wir nach zehn Minuten wieder an dem Laden anhalten, winkt uns die Verkäuferin schon zu – offensichtlich hat sie uns bereits erwartet. Das ist ein gutes Zeichen – und tatsächlich, die Kamera ist da! Wir bedanken uns sichtlich erleichtert bei der ehrlichen Verkäuferin und vier fröhliche Menschen können den Tag fortsetzen. Wir zwei, weil wir Dusel hatten, der Fahrer, weil er uns helfen konnte und die Verkäuferin, weil… hmmm… Hans? warum sollte die Verkäuferin nochmals auch froh sein? Schließlich ist ihr doch eine teure Kamera durch die Lappen gegangen… ach richtig, wegen gutem Karma!
Ja auf der Karma-Skala hat sich die Verkäuferin hiermit auf jeden Fall ein paar Pluspunkte ergattert.
Die Sache mit dem Karma ist ziemlich einfach. Tu Gutes, dann hast Du eine positive Karmabilanz, die Dir irgendwann zugute kommt. Verpasst Du es aber rechtzeitig, dies zu tun – z.B. durch Spenden in Tempeln – dann kannst du sichergehen, daß sich das Schicksal den versäumten Tribut früher oder später zurückholt. So kam es dann auch…
Als Oskar fast verhaftet wurde
Offenbar hätten wir mehr spenden sollen im Vorfeld – erst recht, wenn man im Begriff war, sich so ein besonderes Andenken wie das Tempelhäuschen anzuschaffen!
Nachdem wir für dieses Häuschen Ewigkeiten brauchten um eine Tasche zum sicheren Transport zu finden, haben wir uns dabei auch noch von einem fliegenden Händler etwas übers Ohr hauen lassen. Er gäbe uns einen alten Sack, sagte er, aber nur, wenn wir ihm auch zwei T-Shirts für 100.000 Rupien abkauften. Die T-Shirts waren nix wert, und wir wollten eigentlich nur unbedingt eine Transporttasche haben. Es war heiß, uns lief mal wieder der Schweiß über den ganzen Körper und Hans hatte genug von der Lauferei – also zahlte er resignierend den überteuerten Preis.
Damit hatte sich das Schicksal seine 100.000 Rupien „Spende“ von Hans fürs Tempelhäuschen geholt.
Auf dem Weg zurück zum Hotel mit dem Taxi, hielt der Taxifahrer mitten auf der Straße an. Zwei Hotelangestellte kamen auf die Straße gerannt um den Verkehr aufzuhalten. Ich machte meine Tür auf, ohne mich nochmals umzusehen und RUMMMS, krachte ein Taxi mit dem Seitenspiegel in die Tür! Der Seitenspiegel flog über die Straße und ich dachte nur: „Scheiße! Das wird jetzt lustig!“
Danach passierten viele Dinge gleichzeitig: Ruckzuck kamen Leute zusammengelaufen und wollten sehen, was passiert ist. Der Taxifahrer ohne Außenspiegel sprang aus seinem Auto und lief wild gestikulierend auf mich zu. Unser Taxifahrer brabbelte etwas, was ich im Durcheinander nicht verstand, ich nahm aber an, daß es etwas mit seiner Tür zu tun haben musste. Hans schaute mich an mit einem Blick, der eine Mischung war aus ‚Was ist passiert?‘ und ‚Hast Du das andere Auto nicht gesehen?‘. Ich schaute etwas bedröppelt aus der Wäsche und wußte nicht so recht, was ich machen sollte. Der Gast des anderen Taxis stieg aus diesem aus und ging zu Fuss weiter, offenbar dachte er richtig, daß dies länger dauern könnte. Die Hotelangestellten bedeuteten unserem Fahrer, daß nix an seiner Tür passiert sei. Der Taxifahrer ohne Außenspiel lamentierte rum, wie schlimm und schrecklich das alles sei. Noch mehr Leute kamen herbei und ich fragte mich, wo die alle so plötzlich herkamen? Die Straße war verstopft mit Menschen, Autos und Motorrädern. In unser Taxi stiegen neue Gäste ein, während ich immernoch ratlos mitten auf der Straße stand. Die Hotelangestellten diskutierten mit dem anderen Taxifahrer, ich hörte immer nur „Police, police“ und dachte, da werde ich wohl noch einen lustigen Abend auf einer balinesischen Polizeistation haben. Ich sah mich schon die Nacht in einer Zelle verbringen. Dann fuhr aber unser Taxifahrer mit seinen neuen Gästen los. Entweder er glaubte den Worten der Hotelangestellten, daß tatsächlich alles ok war an seiner Tür, oder er dachte sich, lieber gleich das Geld für eine etwaige Reparatur verdienen.
Jedenfalls löste sich damit der Verkehrsknoten langsam auf und die Meute an Schaulustigen verschwand auch und alles beruhigte sich. Nun standen nur noch der geschädigte Taxifahrer, die Hotelangestellten und ich da. Jetzt sah ich auch, daß eigentlich nichts passiert war an dem anderen Taxi, was nicht leicht behoben werden könnte und so war klar, worauf das ganze Theater abzielen sollte. Also zuckte ich mit den Schultern, griff ich in meinen Geldbeutel, nahm einem 100.000 Rupien-Schein heraus, hielt ihn dem Taxifahrer hin und sagte: „Take this and we forget all this.“ Er überlegte nicht eine Sekunde, nickte und nahm das Geld – oder er nahm das Geld zuerst und nickte dann, weiß ich nicht mehr, jedenfalls war die Sache gegessen – und ich froh.
Und so hatte sich das Schicksal kaum 30 Minuten nach Hans ‚Spende‘ auch von mir sein Opfer geholt! 😉
Hallo Hans, Hallo Oskar, Gerti hat mir heute eure blok-Adresse gegeben, ich habe ein bisschen „geblättert“ und finde die Sache mit dem Karma so schön geschrieben und auf den Punkt gebracht – musste herzlich lachen – durfte herzlich lachen – Danke 🙂
Hallo Birgit!
Danke, danke! Freut uns, wir können im Nachhinein auch nur lachen darüber!
Und herzlich Willkommen Dir hier!
wie viel sind 100000 rubin